Aufgrund wiederholter Nachfragen hier die Stellungnahme zum Telekommunikationsgesetz (TKG) die der CCC e.V. zur Anhörung des Postausschusses vom 13. März 1996 Ende Februar eingereicht hat.

Inwieweit das Abgeben einer solchen Stellungnahme eine Verschwendung chaotischer Energie darstellt, sei dahingestellt. Abgesehen von der Nicht-Wirkung auf den Gesetzesentwurf dient dieses Papier vielleicht auch eher der öffentlichen Diskussion.

Die mittlerweile entstandene Diskussion um den Paragraphen 87 (Auskunftsersuchen auf die Kundendateien) stellt jedoch sicherlich nur einen kleinen Teil des Problems TKG dar.

Auf der anderen Seite empfehlen wir Entspannung, weil eine Regierung die derartige Regelungen einführt sich in Zeiten der Globalisierung ohnehin überflüssig macht...

Frage 1: Wie beurteilen Sie die Kompetenzen und die Organisationsform der Regulierungsbehörde in Form einer Bundesbehörde beim Bundeswirtschaftsministerium, insbesondere im Vergleich zu den Vorgaben der politischen Unabhängigkeit und der Effizienz zur Gestaltung des Wettbewerbs? Wie beurteilen Sie mögliche Alternativen, z.B. die einer Bundesanstalt, einer GmbH oder anderer ?

Die entstehende Behörde wird sich vermutlich besser mit den Worten schwerfällig, langsam, teuer als mit den o.g. Begriffen beschreiben lassen.

Vor allem die Ignoranz gegenüber den technischen Errungenschaften der Telekommunikation selbst bei Gestaltung des Telekommunikationsgesetzes und der Regulierungsbehörde lassen diese eher wie ein Relikt aus Zeiten erscheinen, in denen staatliche Vorgaben noch das Maß aller Dinge waren.

Auch die vorgesehene Verfahrensweise beim Universaldienst scheint nicht geeignet, den Universaldienst für alle schnell und unkompliziert zu ermöglichen.

Benachteiligte Bürger in minder versorgten Regionen haben vermutlich lang andauernde Verwaltungsvorgänge zu betreiben, um im Rahmen der Universaldienstverordnung zu einem Anschluss zu kommen - und zwar einzeln.

Verbesserungswürdig scheint zudem die Transparenz der zukünftigen Behörde.

Durch die Einrichtung einer Instanz, deren Aufgabe in erster Linie die Schaffung von Transparenz über die Lizensierung, Reglementierung sowie über aktuelle Ausschreibungs- und Beschwerdeverfahren ist, könnte hier Abhilfe geschaffen werden.

Ein Bestandteil zur Realisierung einer solchen transparenten Verwaltung wäre durch die Aufstellung eines Servers im vorhandenen Netz mit ausreichend breitbandiger Anbindung und aktiver Einrichtung von Schnittstellen zu potentiellen Lizenznehmern und Nutzern möglich.

Frage 2: Ist das Instrumentarium der Regulierung angemessen und ausreichend, um u.a. funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen und transparente Verwaltungsverfahren zu garantieren ?

Nein.

Frage 3: Ist bei der Regulierungsbehörde eine Beteiligung der Länder gerechtfertigt, alternativ bei den vorgesehenen Zuständigkeiten oder einer möglichen Erweiterung auf die neuen Medien (Multimedia) ?

Nein.

Eine Erweiterung auf neue Medien ("Multimedia") ist abzulehnen, weil sich diese Thematik nicht in den Schubladen von vorgestern behandeln lässt.

Multimedia und moderne Telekommunikationsnetze haben zunächst einmal weder mit Rundfunk, Fernsehen noch mit Bildung zu tun, sondern stellen für sich einen völlig neuen Bereich dar: komplex vernetzte Kommunikation.

Im Unterschied zur Einwegverteilung wie beim Rundfunk bedarf es keiner länderspezifischen Regelung.

Frage 4: Ist die vorgesehene asymmetrische Preisregulierung gerechtfertigt, ausreichend oder nicht geeignet, um eine ausgeglichene Wettbewerbssituation herzustellen ?

Beim vorgesehenen Regulierungsmodel ist die Befürchtung zu äussern, daß die in der Universaldienstverordnung Par. 2 genannten Preise zum genannten Zeitpunkt Ende 1997 aufgrund ihres Richtwertcharakters entsprechend künstlich verteuert werden.

Ausser Verbindungspreise sind auch Bereitstellungspreise von Bedeutung.

Der festzuschreibende Zeitpunkt in der UnvV Par. 2 sollte daher spätestens der Emissionszeitpunkt der Telekom-Aktien sein, da ab diesem Zeitpunkt die o.g. Befürchtung in Kraft tritt.

Der erschwingliche Preis muß in Einklang mit Punkt D der Gesetzesvorstellung* (Preise) jährlich entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Telekommunikationspreise nach unten angepasst werden.

* "Durch die Marktöffnung in allen Bereichen der Telekommunikation sowie durch die Entstehung von Wettbewerb aufgrund der Vorschriften dieses Gesetzes ist zu erwarten, daß die Einzelpreise für Telekommunikationsdienstleistungen [...] sinken, wie es in anderen Staaten mit liberalisierter Telekommunikationsordnung [...]."

Frage 5: Halten Sie die im Gesetzentwurf vorgesehenen Bestimmungen zum Angebot von Universaldienstleistungen zur Gewährleistung des im Grundgesetz festgeschriebenen Infrastrukturauftrages für ausreichend ? Welcher Versorgungsgrad und welcher Zeitrahmen sollte zur Bereitstellung des Universaldienstes nach Par. 11 Abs. 7 gewählt werden? Wie beurteilen Sie die Definition des Universaldienstes (auf digitaler Basis) und die Optionen auf Erweiterung dieses Dienstes ? Welche Definition schlagen Sie alternativ vor ?

Der Gesetzesentwurf übersieht vor allem die Tatsache, daß die aktuelle Definition einer "Mindestanbindung" vom Stand technischer Entwicklung und nicht vom Stand des Gesetzgebers abhängt.

Ein weiteres großes Problem der Universaldienstdefinition im Zusammenhang mit der Preisregulierung ist die Beschränkung auf den Sprachtelefondienst bzw. die Ausnahme von Übertragungswegen.

Dadurch werden vorraussichtlich die Preise für breitbandigere Anbindungen an Telekommunikationsnetze auf dem Land ein Preisniveau erreichen, der als negativer Standortfaktor Gewicht haben wird. Somit ist nicht nur die Entwicklung der Telekommunikationsbranche auf dem Land benachteiligt sondern jedwede gewerbsmässige Betätigung auf dem Land, da die Anbindung an Telekommunikationsnetze zunehmend entscheidender Bestandteil der Infrastruktur jedweder Unternehmungen ist. Die Flucht in Städte und Ballungszentren wird so staatlich forciert.

Vorschlag für eine demokratische Definition (Eckpunkte):

Ergänzung um den Anspruch aller Bürger auf Universaldatendienst-Anschluss für Sprachübertragung geeignet, bidirektional bei gleicher Hin- und Rückkanalbreite (z.B. nach EDSS1).

Regelmässige Aktualisierung der "Mindestanschluss"-Definition nach folgendem Modell: Wenn eine bestimmte Anzahl (ca. ein viertel bis ein drittel) der Haushalte in den Ballungszentren über einen bestimmte Anschluß mit n Kbit angebunden ist, wird dies zur Definition des jeweiligen Universaldienst-Mindestanschlusses.

Frage 6: Wie beurteilen Sie die vorgesehenen Regelungen zur unentgeltlichen Nutzung öffentlicher Wege ? Welche Auswirkungen hätte eine Konsessionsabgabe an die Kommunen auf die Kosten der Informationsübertragung (finanzielle Zusatzbelastungen für Netzbetreiber und Verbraucher, Wettbewerbsnachteile für Betreiber von Festnetzen etc.)? Wie stehen Sie zu einer Betätigung von Gemeinden auf den Telekommunikationsmärkten, insbesondere als Netzbetreiber ?

Kommunen müssen zumindest das Recht haben, den Festnetzlizenzinhabern in ihrer Region den Anschluss der öffentlichen Gebäude (insbesonders Schulen, Bibliotheken, Rathäuser, Bürgerzentren etc.) aufzuerlegen und für diese Universaldienstfreianschlüsse zu bekommen.

Gemeinden als Telekommunikationsnetzbetreiber könnten insbesondere in ländlich-en Regionen als Universaldienstleistungserbringer auftreten, wenn sie durch die Ausgleichszahlungen dazu in der Lage sind.

Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Beurteilung können Gemeinden leer-Rohrnetz errichten, und kostendeckend vermieten.

Frage 7: Halten Sie die Regelungen für Datenschutz und Datensicherheit für ausreichend, welche Ergänzungen sind Ihrer Ansicht nach notwendig ?

Ganz sicher: Nein.

Die im Rahmen des Par. 86 angeführte "Verordnung über den Datenschutz für Unternehmen, die Telekommunikations- und Informationsdienstleistungen erbringen" (TIDSV) schafft in Par. 7 Absatz 4 das Fernmeldegeheimnis Artikel 10 GG praktisch ab; die Auswertung von "Nachrichteninhalten" (Gesprächen) bedarf keiner richterlichen Genehmigung mehr.

Das - wahrscheinlich aus "Datenschutzgründen" - nach Par. 85 Absatz 5 des Telekommunikationsgesetzes nicht einmal die Statistiken über die durchgeführten Überwachungsmaßnahmen veröffentlicht werden dürfen zeigt verschiedene Betrachtungsweisen des Begriffes "Datenschutz".

Insofern kann Frage 7 nur mit einer Gegenfrage beantwortet werden: woraus besteht Fernmeldegeheimniss und Datenschutz überhaupt noch? Dem vom Bundesverfassungsgericht 1983 festgestellten Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Grundgesetz Art. 8, 9 (AZ 1 BvR 209/83) ist weder in der jetzigen Versions des TKG noch der TIDSV entsprochen.

Frage 8: Wie beurteilen Sie die Regelungen ueber den Umfang des lizensierten Bereichs (Einteilung in Lizensklassen, Vorgaben für Lizenzverteilung, Vergabeverfahren für knappe Frequenzen etc.) und das Verfahren zur Lizensvergabe, insbesondere bei knappen Frequenzen ? Wie beurteilen Sie die Auflagen, die bei Begrenztheit von DECT-Frequenzbändern wirksam werden in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ?

Der Par. 47 (Frequenzgebühr) bedarf entgegegen dem Entwurf einer parlamentarischen Kontrolle, damit das Lizenzausschreibeverfahren nicht zur Deckung von Finanzlöchern im Bundeshaushalt mißbraucht wird.

Der Par. 48 (Überwachung, Anordnung der Außerbetriebnahme) bedarf dringend einer Ergänzung zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses. Die Einschränkung des Betriebes und die Ausserbetriebnahme sollten nur nach einem Verfahren ähnlich Par. 14 Absatz 2 erfolgen, indem der Betreiber die Gelegenheit erhält, beantstandetes Verfahren abzustellen.

Die öffentliche Ausschreibung muß auch dann Pflicht sein, wenn zunächst nur ein Bewerber vorhanden ist.

Frage 9: Halten Sie gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich einer möglichen Quersubventionierung aus Monopolbereichen, insbesondere durch Energieversorgungsunternehmen, für ausreichend ?

Nein.

Halten Sie die vorgesehenen Abgrenzungen in der Rechnungslegung vor allem zwischen Netz- und Diensteebene für ausreichend, um Diensteanbietern eine faire wirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen, z.B. um Dienstleistungen auf der Basis intelligenter Netze erfolgreich anbieten zu können ?

Nein.

Frage 10: Wie beurteilen Sie die Regelungen zur Zusammenschaltung von Übertragungswegen (besondere Mißbrauchsaufsicht, offener Netzzugang, Zusammenschaltungspflicht etc.) ?

Die Regelungen sind mutig.

Im vorrausschauenden Rückblick ist zu befürchten, daß es ähnlich wie Bildschirmtext geht: ein Anbieter der kassiert vordert 2 Knopfdrücke an (19) um zu kassieren und nur eine Taste (2) um abzubrechen. Diese gutgemeinte Regulierung ist noch in Kraft, aber heute wird auf Mausklick kassiert.